Daniela Koller Kaum ein Thema dominierte die Medien in der letzten Zeit so wie die Debatte um die Gefahren von Übergewicht bzw. Massnahmen zur Bekämpfung der überflüssigen Pfunde. Nebst den Frauenzeitschriften, die man sich ohne die obligaten Diättipps fast gar nicht mehr vorstellen könnte oder die vielen Gesundheitsmagazine in geschriebener Form oder am Fernsehen, begegnet uns das Thema auch in anderen Alltagsbereichen immer häufiger. Man denke beispielsweise an die riesigen Plakate eines Schweizer Detailhandelsriesen, welche uns an jeder zweiten Ecke entgegenlachen und uns verschiedenste kalorienarme (Weight Watcher) Produkte schmackhaft machen wollen. Oder die neue Linie des orangen Riesen, dank derer wir uns günstig, gesund und fettarm morgen, mittags und abends, aber auch zwischendurch, verpflegen können. Selbst die Politik hat sich mit dem Thema zu beschäftigen. Soll eine Fettsteuer eingeführt werden, um die Leute davon abzuhalten, Lebensmittel wie Chips oder Schokolade aus Kostengründen in den Regalen zu lassen? Oder muss sich die Schule einfach mehr darum kümmern, dass unsere Sprösslinge schon früh auf das Thema sensibilisiert werden. Laut einer kürzlich veröffentlichen Studie soll jedes fünfte Kind in der Schweiz übergewichtig sein. Und Übergewicht, auch wenn gewisse Magazine das Gegenteil behaupten (siehe Weltwoche vom 19.01.2008), das wissen wir dank Dr. Stutz und Co., ist gefährlich und bringt Folgekrankheiten wie Gelenkprobleme, Herzschwäche, Bluthochdruck, Diabetes etc. mit sich und belastet die Krankenkassen in sehr hohem Masse. Angesichts dieser Tatsachen kann man sicher rechtfertigen, dass das Thema so breit behandelt werden sollte.
Nur wird dabei die Kehrseite der Medaille oft ausser Acht gelassen. Immer mehr junge Frauen, vielfach schon Mädchen, und zunehmend auch immer mehr Männer, haben mit einer Essstörung zu kämpfen. Dabei reicht die Bandbreite von Anorexie (Magersucht) über Bulimie (Ess-Brech-Sucht) bis hin zu Orthorexie (Sucht, gesund zu essen). Ich behaupte, dass die Kampagnen, welche momentan überall aufgezogen werden und das Volksübel „Fettleibigkeit“ bekämpfen sollen, häufig die falschen Personen ansprechen, nämlich genau jene, welche sowie schon zu wenig essen oder sich zu gesund ernähren.
Klar bin auch ich dafür, dass übergewichtigen Menschen Unterstützung angeboten werden sollte und es Anlaufstellen für Menschen mit Essschwierigkeiten braucht. Dabei frage ich mich allerdings, ob dieses Thema wirklich so omnipräsent sein muss bzw. warum (fast) immer nur von den Gefahren des Übergewichts, nur selten aber von jenen des Untergewichts gesprochen wird.
Und schliesslich stellt sich mir trotz allem auch immer wieder die Frage, ob es tatsächlich so schlimm um unsere Gesellschaft steht, dass Probleme nur noch mittels Riesenkampagnen und politischen Regulierungen angegangen werden können und Appelle an den Menschverstand einfach abprallen wie ein Ball von der Wand.
Autor: Daniela Koller